Blog

30 Mai / Gedanken zum Heilen: Eine Suche mit Irrwegen

Vor ein paar Jahren verbrachte ich ein paar Tage im Tessin ganz in der Natur, um mich zu erholen. Meine Praxis war genau so, wie ich sie mir gewünscht hatte: blühend, voll. An diesem Ort waren ausser mir lauter ältere Frauen: Alle Therapeutinnen, alle völlig ausgelaugt – genauso wie dieser Kraftort nach einem langen Sommer.

Auch ich war müde: erSCHÖPFT, aus der Balance von Geben und Nehmen gefallen und unzufrieden. Die Freude an den Behandlungen war meiner Zielgerichtetheit, meinem buchhalterischen Denken und einem inneren Kampf zwischen dem Bedürfnis nach ErHOLung und der Suche nach dem ErFOLG meiner Träume zum Opfer gefallen. Doch war dies tatsächlich mein Traum? Wollte ich so werden wie diese Frauen? Leer, unverbunden und von diesem Platz den letzten Tropfen von Kraft nehmend?
Ohne es zu wissen, war dies einer der Momente, der zu einer inneren Wende führte und einer der ersten Momente in denen ich mich fragte, was heilen eigentlich bedeutet, was es bedeutet Heilerin zu sein.

Es war der Beginn einer Reise auf der ich immer noch bin und auf der ich für den Rest meines Lebens bleiben werde: Wer heilt? Was heilt? Was heisst Heilung? Kann ich als Person heilen? Ist es nicht viel mehr Leben, das heilt?

Allein das Wort Heilerin löst innerliche und äusserliche Kontroversen ein. Es passt nicht zu unserer bescheidenen und zurückhaltenden Art, wird im besten Fall mit Esoterik, im schlechtesten mit Scharlatanerie in Verbindung gebracht.

Früher wurden HeilerInnen über viele Jahre von ihren Lehrern und Lehrerinnen ausgebildet. Sie lebten gemeinsam, die Lernende war im gleichen Energiefeld, lernte im gemeinsamen Tun und Sein. Alle Aspekte des Lebens waren Teil davon. Es gab keine Trennung von Körper und Seele, von der Menschheit und der Erde, von Diesseits und Jenseits, von Kirche und Leben.

Ganz gesellschaftsentsprechend werden heute TherapeutInnen und nicht HeilerInnen ausgebildet. Heilen ist im besten Falle Ärzten erlaubt. Das Schwergewicht liegt in einem Versuch ’seriöser‘ Ausbildungen und Diplome, in der Qualitätssicherung des Unterrichts und der Materie, kaum jedoch in der Persönlichkeit und dem inneren Wachstum.
Dabei kommt es im Heilen nur auf etwas an: Auf das eigene Selbst, die SelbstSTÄNDigkeit, die Selbstführerschaft, auf die innere Balance. Ohne sie schauen wir durch die Brillen der Wertvorstellungen, bleiben gefangen in unseren eigenen Verstrickungen.

In meinen psychologischen Ausbildungen wurde ich trainiert stets Distanz zu wahren. Räumlich in Form eines Tisches oder einer Couch, mit Notizen auf einem Block, mit dem Schwerpunkt aufs Gespräch und innere Bilder gerichtet und der Betonung auf Abgrenzung. Fragen stellen ohne Ende, nie Stellung beziehen: Automatisch entsteht dabei ein Gefälle von gesund und krank, von wissend und unwissend. Als Therapeutin bleibe ich dabei stets ausserhalb.

Erst die Arbeit mit dem Körper, mit meinen Händen hat meinen Fokus verändert und Berührung auf allen Ebenen möglich gemacht. Doch auch da schlitterte ich in unsere Welt des Tuns, stets bemüht um das Maximum, stets leicht angestrengt – und ich wurde müde darin, erschöpft und erneut suchend.

Was sind Heilerinnen?

Die ersten Heilerinnen waren Mütter. Ein fieberndes, trauriges, ängstliches, wütendes Kind in den Armen seiner Mutter, bedingungslos angenommen, bedingungslos geliebt. In diesem Raum kann Heilung geschehen. In diesem Raum kehrt Licht dahin zurück, wo es eben noch dunkel war. Ein Raum frei von Grenzen.

Ist Heilung nicht der wundersame Tanz der Balance? Der Ursprung des Wortes liegt im Wort hell und damit im Licht. Sind wir erLEUCHTET in jeder Zelle, im ganzen Sein, so sind wir heil, von nichts mehr getrennt, in perfekter Balance.
In diesem Raum gibt es keine Trennung, keine Abgrenzung zwischen dem Ich und dem Du. In diesem Raum weiss ich, dass wir beide eins sind, unsere Geschichten austauschbar im ewigen Kreislauf von geboren werden und sterben, von Leben und Tod.

Dieser Raum in dem Heilung geschehen kann ist die Grundlage von allem. Doch wie können wir ihn finden in einer Welt, in der die alten Traditionen längst eingeschlafen sind und die neuen sich an unserer Gesellschaft des Tuns definieren, deren Kontrollen im Sichtbaren liegen?

Der Weg jeder Heilerin, jedes Heilers beginnt in der eigenen Reise der Selbstführerschaft, im Kennenlernen von Spiritualität, Körper, Gefühlen und Verstand und im ständigen Finden der inneren Balance – der Selbstheilung.

Solange unsere eigenen Geschichten, unser Ego, unsere Wertvorstellungen, Sorgen und Sehnsüchte unser Leben bestimmen, solange wir im Tun durch unsere Tage rasen, solange fehlt uns der Raum der bedingungslosen Annahme, den wir brauchen, um für einen Moment ganz mit dem Leben und dem andern zu verschmelzen: um zu heilen.

Der Raum für Heilung ist in unserem inneren Garten, in der Begegnung mit unserem Selbst. Selbstehrlichkeit, Selbstliebe, Selbstlernen, Selbstdisziplin werden zu unseren neuen Begleitern. Durch die Leere, die im Innern wächst, durch das Sein statt das Tun fangen wir an unser Selbst und Leben reden zu hören. Ruhe und Raum in unserem Alltag sind dafür unabdingbar.

Die Methoden mit denen wir unsere Arbeit benennen sind unsere Werkzeuge, ihre Namen austauschbar. Ob wir Akupunktur, Homöopathie, Phytologie, Heilen mit Händen lernen: Immer ist es unsere Fähigkeit den Raum für Heilung, den Raum des Lichtes, den Raum der bedingungslosen Annahme und Liebe zu schaffen, ohne der alles andere wirkungslos wird. Liebe ich mich Selbst in allem Sein und Tun, in allem was ich je war und sein werde, weiss ich, dass wir alle ein und dieselbe Energie sind.

So ist der Weg der Heilerin und des Heilers ein Weg der Selbstführerschaft, der Entdeckung von Leben, ein ständiges Wachsen: Das Leben selbst in der Hand und gleichzeitig ganz loslassend, der unendlichen Liebe und Weisheit von Leben vertrauend.
Wir werden darin immer weiter, finden zurück in den Rhythmus von Leben, werden staunend Teil der Wunder, der Schönheit, von Leben und der Kraft unserer AhnInnen lernend: Mikrokosmos im Makrokosmos, Makrokosmos um Mikrokosmos, Innen im Aussen, Aussen im Innen, ein ewiger Spiegel in den Kreisläufen von Entstehen und Vergehen.

By zukunft in Gedanken zum Heilen